Kurzbeschreibung des Studientexts "Informatik in der Arbeitswelt"
Peter Brödner (1999)
hrsg. von Sylvia Rizvi, Herbert Klaeren
didaktische Erstbearbeitung durch Christel Keller
Informationstechnische Systeme (IT) sind inzwischen in der Arbeitswelt
verbreitet, wenn auch bereichsweise in ganz unterschiedlichem Ausmaß.
Man schätzt, daß es derzeit etwa bei siebzig Prozent aller Beschäftigten
zum normalen Arbeitsalltag gehört, zumindest Teile ihrer Arbeitsaufgaben
mittels computergestützter Arbeitsmittel (einschließlich Telekommunikationsmittel)
zu erledigen.
Wie andere Techniken auch, werden IT aber nicht einfach in die Arbeitswelt
eingeführt, weil sie verfügbar sind und Arbeitsmühe ersparen
könnten. In neue Techniken wird investiert, um die Rentabilität
(das prozentuale Verhältnis von Gewinn und Fremdkapitalzinsen zu eingesetztem
Gesamtkapital) zu erhöhen. Darum geht die betriebswirtschaftliche
Kalkulation von Investitionen - gemeinhin Rationalisierung genannt - mit
einem jedermann bekannten Phänomen einher, das nicht unbedingt von
größerer Vernunft zeugt (Rationalisierung leitet sich immerhin
von "Ratio", d.h. Vernunft ab): Zunehmend mehr Menschen, die auf Erwerbsarbeit
angewiesen sind, werden arbeitslos. Gleichzeitig müssen die
weiterhin Beschäftigten oftmals intensiver und ausgedehnter
arbeiten.
Mit der Einführung der elektronischen Datenverarbeitung waren erstmals
auch Berufstätige in Verwaltung und Dienstleistungssektoren in größerem
Ausmaß Opfer von Rationalisierungen. Diese Folgen der herrschenden
wirtschaftlichen Vernunft sind auch in den Technikwissenschaften und der
Informatik kritisch zur Kenntnis genommen worden; es wurde die Frage aufgeworfen,
inwieweit die Technologie dazu beitragen kann, sozialverträglichere
Techniken zu entwickeln.
Doch auch von der betriebswirtschaftlichen Seite her wird mittlerweile
beklagt, daß IT keineswegs das Rationalisierungsmittel darstellen,
als das sie lange Jahre gepriesen wurden. Es wird, insbesondere in den
USA, vom Produktivitätsparadox der IT gesprochen: Deren Einsatz
geht nicht mit höherer (einzelwirtschaftlicher) Rentabilität
bzw. gesamtwirtschaftlicher Produktivität einher, und das trotz fallender
Anschaffungspreise für IT. Wie erklärt sich dieses Paradox?
Der Studientext beschäftigt sich einleitend mit den Problemen, die
mit dem Einsatz von IT in der Arbeitswelt verbunden sind. Er behandelt
die ökonomischen Rahmenbedingungen, aber an Beispielen zeigt er auch
auf, daß das Produktivitätsparadox etwa nicht nur mit der ökonomischen
Rechnungsführung zu tun hat, sondern auch mit der Informationstechnik
als solcher: Sie ist zu wenig den Aufgaben angemessen, die sich aus dem
Arbeitsprozeß stellen.
Welche Grundkomponenten zeichnen also einen Arbeitsprozeß aus,
welche Anforderungen müssen dementsprechend bei der Technikgestaltung
berücksichtigt werden? Solche Kenntnisse sollten zum Kernbestand
des Wissens in der Informatik gehören, denn in welche Richtung gedacht
und entwickelt wird, ist immer durch ein bestimmtes Technikverständnis
des Wissenschaftlers geprägt. Dies wird u.a. in der Kritik des mechanistischen
Weltbildes und seines Stellenwerts in der Informatik aufgezeigt. Neuere
Konzepte wie das der Selbstorganisation stellen dagegen den Menschen als
denkendes und handelndes Subjekt in den Mittelpunkt, ein Menschenbild,
das zunehmend Diskurse über Softwaretechnik und Mensch-Maschine-Interaktion
bestimmt und zu Perspektiven auf eine produktive und sozialverträgliche
Gestaltung von Arbeit und IT geführt hat.
Wie ein solcher Gestaltungsansatz praktisch aussehen kann, wird ausführlich
an Beispielen aus der Produktion (NC-Maschinen, PPS-Systeme) und dienstleistenden
Bereichen (Textsysteme, Informationssysteme, Workflowmanagement-Systeme)
behandelt. Dabei werden auch die unterschiedlichen Aspekte betrachtet,
die die Nutzung von IT als Arbeitsmittel durch eine einzelne Person oder
als Medium der Kooperation über räumliche und zeitliche Distanz
hat.
(Autorin der Kurzbeschreibung: Christel Keller)
Zurück zu den Tübinger Studientexten
Informatik und Gesellschaft
Address
- Universität Tübingen
- Wilhelm-Schickard-Institut für Informatik
- Sand 13
- D-72076 Tübingen
- Germany
- Fon:
- +49 7071 29-78955
- Fax:
- +49 7071 29-5082
Last modified: Tue May 19 14:25:16 MST 2009
|