Kurzbeschreibung des Studientexts "Technikentwicklung als sozialer
Gestaltungsprozeß"
Heidi Schelhowe(1999)
hrsg. von Detlev Krause, Herbert Klaeren
Der Erfinder des Computers, Konrad Zuse, klagt in seiner Biographie
über die vielen "Mächte", die den Naturwissenschaftler und Ingenieur
in seinem Wirken behindern. Staat (in seiner Zeit also der nationalsozialistische),
Wirtschaft, öffentliche Meinung - sie alle versuchten, auf den Forscher
und Erfinder Einfluß auszuüben. Dieser bemühe sich indes
redlich um die Verbesserung der Lebensumstände aller Menschen, aber
seine ehrenvolle Aufgabe würde nur selten anerkannt.
Ist das heute anders? Bestimmen nicht auch heute noch vor allem (finanz-)mächtige
Akteure den "technischen Fortschritt", ohne auf das Wort der innovativen
Tüftler, Erfinder und Wissenschaftler viel zu geben, die doch andererseits
die notwendigen Ideen und Fähigkeiten mitbringen?
Einerseits wird also das Wissen von Informatiker/innen nicht wirklich
berücksichtigt, andererseits aber erwartet "die Gesellschaft" von
ihnen wahre technische Wunder. Was im Alltag oft nur mühseligem Handwerk
gleichkommt, gilt manchen Medien geradezu als Magie: Computer "denken",
"sprechen" und "arbeiten" allerorten - und man hat schon lange keine Lust
mehr, jemanden zu erklären, was Computer tatsächlich sind.
Der Studientext setzt hier an und stellt die Fragen genauer:
-
Wer bestimmt über die Technikentwicklung?
-
Haben Informatiker überhaupt Gestaltungsfreiheiten oder erfüllen
sie nur vorbestimmte Aufträge?
Für die Wissenschaft Informatik wird weiterhin gefragt, ob es Alternativen
für ihre Entwicklung gegeben hätte.
Es geht aber nicht nur um die Frage, welchen Einfluß andere auf
die Technikentwicklung haben, sondern auch darum, wie die Technikentwicklung
selbst die Gesellschaft verändert. In der Zeit von Konrad Zuse hat
aufgrund der Atomtechnik - insbesondere der Atombombenabwurf auf Hiroshima
- in einer breiteren Öffentlichkeit die kritische Diskussion um mögliche
negative Auswirkungen der Technik begonnen. Und seit den siebziger Jahren
haben sich in vielen Ländern Institutionen gebildet, die "Technikfolgenabschätzung"
(kurz: TA) betreiben und dafür sorgen sollen, daß positive Entwicklungen
gefördert sowie negative verhindert werden können. Die Autorin
stellt einige Interpretationen negativ bewerteter "Technikfolgen" vor und
fragt nach den Möglichkeiten und Grenzen der TA.
Im Mittelpunkt des Studientexts stehen die Gestaltungsmöglichkeiten
der Informatiker/innen im Berufsalltag. Die Fragen nach den Möglichkeiten
der TA, die Diskussion um Macht und Ohnmacht von Wissenschaftlern, Erfindern
und Technikern, die verschiedenen theoretischen Modelle der Informatik
- all das soll helfen, die Chancen und Grenzen der eigenen Gestaltungsarbeit
besser zu erkennen und wahrzunehmen.
Insofern gibt es hier enge Verbindungen zu dem Einführungs-Studientext:
Die Frage nach dem Gestaltungs-Leitbild spielt ebenso wie der Akteursansatz
eine wichtige Rolle. Jedoch stellt der Studientext mehr Quellenmaterial
zur Diskussion und beinhaltet eine begleitende Aufgabe, bei der es um
die Konzeption einer Software geht. Diese Software verändert neben
dem technisch-organisatorischen Informationsfluß auch die sozialen
Beziehungen der Betroffenen.
Die Autorin ist Professorin am Fachbereich Informatik der Universität
Bremen.
(Autor der Kurzbeschreibung: Detlev Krause)
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Informatik und Gesellschaft
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