forward | back | up: 4 Kontexte unserer Konzeptentwicklung

4.3 Fernlehre vs. erweiterungsfähige Präsenzlehre

Wir stellen im Folgenden zwei klassische Settings von Lehren und Lernen als Idealtypus gegenüber.

An Hand dieser Gegenüberstellung wird sichtbar, dass sich ,,typische'' Fernstudierende und ,,typische'' Präsenzstudierende in Lebenssituation, Lernanliegen und vielen anderen Eigenschaften deutlich unterscheiden. Die Einsicht in diese Unterschiede war für uns Anlass, kein ,,typisches'' Fernstudienkonzept zu realisieren, sondern ein eigenes didaktisches Konzept zu entwickeln.

Das ,,klassische'' Fernstudiensetting, wie es in den 70er Jahren entwickelt wurde, war im Wesentlichen charakterisiert durch

Dieses Fernstudiensetting war als Alternative konzipiert zu dem ,,traditionellen' Setting einer klassischen Präsenzlehre:

In der folgenden tabellarischen Gegenüberstellung beider Settings (erstmals veröffentlicht in [Busse 1998]) fassen wir exemplarisch zusammen, in welch vielfältigen Aspekten sich ,,typische'' Fern- und Präsenzstudierende unterscheiden können.

 

Fernstudierende Präsenzstudierende

Topographie

Charakteristikum: Ferne der Studierenden untereinander, sowohl Ferne untereinander als auch Ferne vom Hochschulort: Die Lernenden sind räumlich weit verteilt; die Lehrenden betreuen von einer zentral lokalisierten Institution aus - wie etwa der Fernuniversität Hagen - die Studierenden; dezentrale Studienzentren erlauben als verlängerter Arm der zentralen Institution teilweise die Etablierung lokaler Lerngruppen.

Charakteristikum: Nähe der Studierenden untereinander, Ferne qualifizierter Lehrkräfte: Für Studierende ist Wohn- und Studienort weitgehend identisch; wenig oder keine institutionell unterstützte Vermischung von Studierenden an verschiedenen (Studien-)Orten.

Qualifikation

Fernstudierende verfügen meist über abgeschlossene Erstausbildung, oft sogar über Hochschulausbildung.

Präsenzstudierende streben meist ihren ersten berufsqualifizierenden Abschluss an.

Berufserfahrung

Fernstudierende stehen meist im Beruf, haben oft langjährige Berufserfahrung;

Berufserfahrung ist bei Präsenzstudierenden meist nicht vorhanden.

Lebenserfahrung durch Alter

ist bei Fernstudierenden höher,

ist bei Präsenzstudierenden geringer.

Bewertungskompetenz hinsichtlich Curriculum und Inhalte

Fernstudierende wissen i.A. genau, was sie wollen; inhaltlich genau umrissenener Qualifizierungsaspekt steht eher im Vordergrund; Curriculum und Inhalte werden von den Studierenden in Bezug auf ihre eigenen Bedürfnisse bewertet;

Präsenzstudierende orientieren sich eher: können die genaue Funktion einzelner Inhalte noch nicht genau abschätzen; Überblick über Inhaltsspektrum weniger vorhanden.

Funktion des Studiums

Fernstudierende lassen das Studium oft ,,nebenher'' laufen; ihr Lebensschwerpunkt liegt außerhalb des Studiums (zum Beispiel Familie, Beruf); ihr Studium ist Mittel zu anderen Zwecken;

Präsenzstudierende sind Studierende im ,,Hauptberuf''; ihr Studium prägt ihr Selbstverständnis; Nebenbeschäftigungen sind idealerweise auf das Studium bezogen.

Finanzen

Fernstudierende finanzieren ihr Studium meistens selbst und in eigener Verantwortung; strengere Kosten-Nutzen-Analysen; Finanzierung unabhängig vom Studienerfolg;

Präsenzstudierende studieren oft fremdfinanziert; geringere (und zum Teil irrationale) Kosten-Nutzen-Analysen; Finanzierung teilweise abhängig vom Studienerfolg.

Autonomie und Selbstlernkompetenz

bei Fernstudierenden ausgeprägter (und für die Studienform unerlässlich);

bei Präsenzstudierenden eher weniger ausgeprägt (und für die Studienform bisweilen hinderlich).


Weiter: 4.4 Kritische Anmerkungen zum Einsatz technisch mediierter Kommunikation
Johannes Busse, August 10, 1999