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5.3 Leittext: Texte richtig lesen

Autor: Tobias Grundmann, Tübingen

Beim Lesen von Lehrbüchern und wissenschaftlichen Texten geht es nicht darum, diese möglichst schnell zu lesen, sondern darum, sie zu verstehen und vor allem ihren Inhalt auch im Gedächtnis zu behalten. Eine bekannte Methode hierzu ist die SQ3R-Methode, benannt nach dem amerikanischen Pädagogen Francis P.ROBINSON (,,Effective Study'', 1961). Die Methode leitet auf eine intensive, kritische und aufmerksame Auseinandersetzung mit dem Text hin. SQ3R steht für


,,Survey'' - Orientieren.
Schaffen Sie sich einen Überblick, bevor Sie zu lesen beginnen! Wenn Sie wissen, wie ein Text strukturiert ist, welche Inhalte behandelt werden und wo seine Schwerpunkte liegen, können Sie später viel leichter dessen Aussagen erfassen, einordnen und Ihre Fragen beantworten. Zudem lässt sich bereits in der Orientierungsphase die Qualität eines Textes beurteilen. Hilfreich für eine (schnelle) Orientierung sind:

Zusammenfassungen sind die vielleicht nützlichste Quelle, wenn es darum geht, sich einen Überblick zu verschaffen. Manchmal sind nach jedem Kapitel Zusammenfassungen des Stoffes zu finden.

Das Inhaltsverzeichnis gibt die Struktur eines Textes wieder und verrät gleichzeitig viel über Inhalt (sic!) und Schwerpunkte. Kapitelüberschriften stehen im Inhaltsverzeichnis oft nur in verkürzter Form. Häufig offenbaren auch Unterüberschriften weitere Informationen. Es lohnt sich deshalb, die einzelnen Überschriften nachzuschlagen.

Lies nie einen Text, ohne zuvor das Vorwort und die Einleitung gelesen zu haben! Was vielen als als Zeitverschwendung erscheint, erweist sich als wichtig, weil so das vorliegende Buch und der Autor eingeschätzt und in einen Kontext gesetzt werden können. Häufig gibt das Vorwort gute Hinweise auf die Struktur eines Textes, die verwendete Nomenklatur und Konventionen bezüglich verwendeter Schriftarten. Ähnlich der Einleitung verschafft die Zusammenfassung einen Überblick über den Inhalt.

Der Index eignet sich nicht unbedingt zur anfänglichen Orientierung in einem Text. Er kann aber nützlich sein, um eine Reihe von Büchern zu einem speziellen Thema zusammenzustellen. Dennoch lohnt sich ein Blick in den Index immer. Der Index sagt viel über die Qualität eines Textes aus. Je umfangreicher, desto besser. Ein guter Index weist durch Hervorhebungen oder Ähnliches auf Schwerpunkte hin. Weiterhin sollten Sie nach Glossar, Bild-, Tabellen-, Symbol-, und Personenverzeichnissen Ausschau halten. Manchmal lässt sich auch die Güte einer Übersetzung allein schon durch den Vergleich des Indexes mit dem Original feststellen. Ein spärlicher Index gibt auch einen Hinweis auf die spätere Arbeitsweise. Es wird dann für Sie nötig sein, eigenständig wichtige Stichworte zusammen mit ihrem Auftreten im Text festzuhalten.


,,Question'' - Fragen.
Durch Fragestellungen wird ein passiver Konsument eines Textes zum aktiven, interessierten und kritischen Leser. Die Motivation, den Text zu lesen, steigt.

Bevor mit dem Lesen begonnen wird, sollten Sie sich deshalb folgende Fragen stellen: Um was geht es in dem vorliegenden Buch bzw. Text überhaupt? Was ist die Intention des Verfassers? Inwieweit und an welchen Stellen ist der Text für mein Lernziel relevant? Was weiß ich selbst schon über das Thema? Wie gut ist die Qualität des Textes? Dabei kann es hilfreich sein, den Titel und die Kapitelüberschriften als Frage zu formulieren.


,,Read'' - Lesen.
Stellen Sie konkrete und detaillierte Fragen an den Text und versuchen Sie, diese beim Lesen des Textes zu beantworten. Während Sie lesen, werden sich neue Fragen ergeben. Insbesondere bei schwierigen theoretischen oder formelhaften Texten ist es wichtig, auch Details zu verstehen. Verlieren Sie dabei aber nicht das Ziel aus den Augen.

Wenn Sie etwas nicht verstanden haben, hilft es häufig, zunächst das ganze Kapitel bzw. den Abschnitt zu lesen. Manchmal finden sich dabei Antworten auf vorangegangene Unklarheiten. Arbeiten sie dann wieder von vorne auf noch unverstandene Stellen hin. Versuchen Sie in einem iterativen Prozess, immer mehr vom Text zu erfassen. Machen Sie dabei immer wieder Pausen! Versuchen Sie immer wieder in eigenen Worten zu formulieren, was der Autor gemeint hat. Durch diese aktive Vorgehensweise erreichen Sie ein besseres Verständnis als beim passiven Durchlesen. Außerdem wird Ihre Konzentration nicht so schnell nachlassen.


,,Recite'' - Rekapitulieren.
Rekapitulieren Sie einen Abschnitt, wenn Sie ihn gelesen haben. Beantworten Sie dabei die Fragen, die sie sich gestellt haben. Vergegenwärtigen Sie sich noch einmal die Aussagen des gelesenen Textes und fassen Sie den Text zusammen - immer mit eigenen Worten und aus dem Gedächtnis. Machen Sie sich Notizen über die wichtigsten Stellen. Schreiben sie dabei aber keine Textstellen ab, sondern formulieren Sie eigenständig. Die Formulierung mit eigenen Worten ist deshalb so wichtig, weil Sie dadurch feststellen können, ob Sie den Text wirklich verstanden haben. Sie werden häufig beim Lesen (oder in einer Vorlesung) der Meinung sein, alles verstanden zu haben. Durch eigene Formulierungen lässt sich dies überprüfen.


,,Review'' - Wiederholen.
Durch Wiederholen des Stoffes verankert sich das Gelernte besser im Gedächtnis. Wiederholen Sie den Inhalt eines Kapitels erstmals, nachdem Sie es abgeschlossen haben, später dann auch regelmäßig weiter zurückliegenden Stoff. Verknüpfen Sie dabei die einzelnen Ergebnisse und setzen Sie diese in Bezug zum Gesamtkontext.

Viele Menschen haben zum Beispiel am späten Nachmittag ein Punkt erreicht, bei dem sie nicht mehr aufnahmefähig sind. Mit Wiederholen können Sie auch diese Zeit sinnvoll nutzen!

Leittext aus: J.Busse: Dozentenhandbuch zu ,,Tübinger Studientexte Informatik und Gesellschaft''. © WSI, Universität Tübingen 1999. Alle Rechte vorbehalten. Dieser Text ist auch erhältlich unter http://www-pu.informatik.uni-tuebingen.de/iug/dh/Leittexte.html


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Johannes Busse, August 10, 1999